Berichte

Große Einigkeit unter den Umweltpolitikern der oppositionellen Parteien

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Man könnte meinen, an der Umwelt dürfte nichts mehr problematisch sein. So einhellig waren die Forderungen der Landtagskandidaten von SPD, Freien Wählern, Grünen, Linken und der ÖDP. Und so sehr stimmten sie auch mit den grundsätzlichen Ansichten der beiden Umweltverbände überein, den NaturFreunden und dem Bund Naturschutz.

Beide Verbände hatten am Freitag den 21.9.18 zu einer Podiumsdiskussion zu den Umweltprogrammen der Parteien geladen, die für den Bayerischen Landtag kandidieren. Die CSU konnte sich nicht zur Teilnahme entschließen.

So traten Florian von Brunn für die SPD, Prof. Piazolo für die Freien Wähler, der BN-Kreisgruppenvorsitzende Christian Hierneis für die Grünen, MdB Eva Bulling-Schröter für die Linke und der Stadtrat Tobias Ruff für die ÖDP an, um die Fragen des BN-Geschäftsführers Dr, Nützel zu beantworten. Für die NaturFreunde gab das Bundesvorstandsmitglied Uwe Hiksch die entsprechenden Stellungnahmen.


Einig waren sich alle Sprecher über die vorrangigen Umweltprobleme: Den Klimaschutz, die Luftreinhaltung, das Artensterben, die Notwendigkeit einer Energiewende und einer Verkehrswende. Aber warum tun wir nicht, was wir wissen, dass wir tun müssten, das fragte Prof. Piazolo. Es liege an der mangelnden Bildung und Aufklärung, betonte er. Es liege vor allem an der Lobbypolitik und dem Einfluss des Profitstrebens, betonten alle zusammen, zuvorderst Eva Bulling-Schröter. Einig war man sich wieder, dass das Wachstumsdogma der Wirtschaft überwunden werden muss. Fast unisono wird ein Wechsel des Systems für notwenig gehalten. Uwe Hiksch stellte die Wichtigkeit einer Außerparlamentarischen Opposition heraus, wobei der Vertreter der ÖDP schmunzelnd zustimmte.

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Befragt zur Verkehrswende betonten alle Kandidaten den absoluten Vorrang für den öffentlichen Massenverkehr, der auch in öffentlicher Hand bleiben müsse. Dass der zweite Tunnel für die S-Bahn in München nicht reiche und unbedingt auch die Ringschlüsse um München so schnell wie möglich ausgebaut werden müssen, war aus einhellig, wenngleich Hierneis betonte, man lehne den zweiten Tunnel nach wie vor ganz ab. Uwe Hiksch brachte die Unsinnigkeit eines breiten Umstiegs auf Elektroautos zur Sprache. Mit einem nur elektrifizierten Massen-Individualverkehr löse man keines der städtischen Verkehrsprobleme. Er brach eine Lanze für den preisgünstig zu verwirklichenden Trambahnverkehr. Tobias Ruff drängte auf eine wesentliche Beschleunigung des Ausbaus der öffentlichen Verkehrsmittel.

Zur Luftreinhaltung waren sich alle einig, dass die Lösung in der eben diskutierten Verkehrswende liege. Die Hardware-Nachrüstung der Dieselfahrzeuge und die Blaue Plakette für Umweltzonen in den Städten w3aren gemeinsame Forderung.

Was für den Klimaschutz zu tun sei, frage Rudolf Nützel vom BN. Einig war man sich auch hier, dass die Energiewende zügig voran getrieben werden müsse. Uneinig war man sich dagegen, ob man dazu Fernleitungen für den Windstrom aus den Norden brauche, wie Florian von Brunn meinte, oder ob man auf eine konsequent dezentrale Stromversorgung setzen sollte. Dazu müsse vor allem die Seehofersche Abstandsregelung für Windräder (10 H) fallen. Piazolo setzte dabei auf Gaskraftwerke, die aber auch Kohlendioxid produzieren, wenn auch nicht ganz so viel. Bulling-Schröter forderte den konsequenten Ausbau von Photovoltaik auf den Hausdächern in Kombination mit dem Mieterstrom-Modell der Finanzierung. Tobias Ruff betonte den Ausstieg aus der Kohleverstromung, worin ihm alle zustimmten. Hiksch kam auf den Anteil der Landwirtschaft an der Klimaproblematik zu sprechen und prangerte die gigantischen weltweiten Warenströme an, die durch unseren Verbrauch an Futtermitteln für eine exportorientierte Landwirtschaft hervorgerufen werden.

Damit war auch der Hauptverursacher für den Rückgang der Artenvielfalt ausgemacht. Alle Sprecher betonten die großflächige Monokultur und das Fehlen kleinräumiger diverser Biotope. Eine Landwirtschaftswende wurde von fast allen gefordert. Lediglich Prof. Piazolo tat sich damit etwas schwerer, da seine Partei sehr viele konventionelle Landwirte in wichtigen Positionen habe. Klar wurde aber, dass nicht die Bauern als solche zu Schuldigen für den Artenrückgang erklärt werden sollen. Vielmehr vertrete der Bauernverband hauptsächlich die Interessen der industriell arbeitenden Betriebe und der Agrarindustrie. Angeprangert wurde in diesen Zusammenhang auch das rein flächenbezogene Fördersystem der EU-Subventionen. Einen wichtigen Aspekt führten Ruff und Hiksch mit dem Hinweis auf die Zerteilung der Landschaft durch unüberwindliche Barrieren ein. Das FFH-Prinzip des großräumigen Verbunds von Biotopen müsse ebenso weiterentwickelt werden wie die Ausweisung weiterer Nationalparks.

Aus dem Publikum wurde gefragt, warum denn, bei so viel Einigkeit in den Grundlagen, die Umweltpolitik nur so zäh vorankomme. Politik sei eben ein mühsames Geschäft, denn keiner der anwesenden Kandidaten könne einfach anordnen, was zu geschehen habe. Immer stehen irgendjemandes finanzielle Interessen dagegen, und dann müsse man Kompromisse aushandeln. Immerhin, so Hiksch, gehören dem Deutschen Naturschutzring insgesamt rund 11 Millionen Bundesbürger an. Soviel organisiertes Naturschutzinteresse sollte sich lauter bemerkbar machen. Deshalb sei es auch wichtig, immer wieder auf Demonstrationen zu gehen, wie demnächst am 6. Oktober in München unter dem Motto „Mia ham‘s satt!“ .

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Kurt Schiemenz
Umweltreferent NaturFreunde Deutschlands, Bezirk München


Die Fragerunden, in denen sich die Podiumsgäste zu bestimmten Themen äußern sollten, stehen hier zum Anhören bereit:

Zur Podiumsdiskussion ist auch eine Presseerklärung verfasst worden: Presseerklärung Podiumsdiskussion.