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Lippe ist „Flusslandschaft des Jahres 2018/19“

Lippe

In einer feierlichen Proklamation ist die Lippe am 24. März in der ehemaligen Zeche Fürst Leopold in Dorsten zur Flusslandschaft des Jahres 2018/19 ausgerufen worden. Mit dem Titel würdigen die NaturFreunde Deutschlands und der Deutsche Angelfischerverband die bisherigen Erfolge der umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen am 220 Kilometer langen Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen.


Renaturierung an der Lippe gewürdigt

Als begradigter und vertiefter Industriefluss wurde die Lippe bis in die 1980er-Jahre durch die Einleitung von Kühl- und Grubenwasser sowie Industrie- und Haushaltsabwässer erwärmt und verschmutzt. Heute bietet das einst stark belastete Gewässer mit seiner abschnittsweise naturnah wiederhergestellten Auenlandschaft und renaturierten Ufern vielen teils bedrohten Arten wieder neuen Lebensraum: Zu den bisherigen Erfolgen der noch nicht abgeschlossenen Umgestaltung zählen die wachsenden Populationen von Steinbeißer und anderen seltenen Fischarten, die gelungene Wiederansiedlung der Quappe sowie die Rückkehr von Laubfrosch, Eisvogel, Biber und Fischotter.


Bedeutung des Ökosystems Flusslandschaft

Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, betonte während der Proklamationsfeier: „Die Flusslandschaft des Jahres versucht drei zentrale ökologische Dimensionen miteinander zu verbinden: Wasser, Boden und Biodiversität. Sie bewertet Ökosysteme, die von zentraler Bedeutung für das Leben sind.“

„Flüsse sind mittlerweile die am stärksten bedrohten Ökosysteme der Welt. Aus diesem Grund ist die Renaturierung der Flüsse ein erklärtes europäisches Ziel“, so Dr. Christel Happach-Kasan, Präsidentin des Deutschen Angelfischerverbandes. „Unsere Flüsse sind weit mehr als reine Transportwege, welche man kanalisiert, um Waren zu transportieren und Wasser möglichst effektiv abzuleiten.“

Horst Kröber, Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Westfalen und Lippe, begrüßte in seinem Beitrag, dass die renaturierten Lippeauen als neue Laichhabitate zu einer gesteigerten Artenvielfalt im Fluss beitragen. Zudem sprach er sich dafür aus, die breite Bevölkerung stärker in die Projekte miteinzubeziehen: „Menschen setzen sich für Renaturierungen ein und setzen diese um, und Menschen müssen auch die Gelegenheit haben, die Ergebnisse dieser Bemühungen zu erfahren und zu genießen. Schließt man sie aus, wird das Verständnis für Naturschutz nicht zu-, sondern abnehmen. Sowohl mit der fehlenden Durchgängigkeit im Oberlauf der Lippe als auch bei der geplanten Einleitung von PCB-belasteten Grubenwassern in den Fluss zeichnen sich zwei Probleme ab, die wir nun dringend gemeinsam angehen müssen.“

Johannes Nüsse, Präsident des Fischereiverbands Nordrhein-Westfalen, wies insbesondere auf die wichtige Rolle der vielen Anglerinnen und Angler hin, die tagtäglich zur Pflege und zum Erhalt der Lippe beitragen. „Es ist mir ein großes Anliegen, die Beanspruchung von Natur durch Angler und Naturliebhaber und den Schutz der Natur zu vereinen. Schutz und Nutzung sind kein unauflösbarer Widerspruch, sondern können sich in vielen Fällen gut ergänzen. Etwas mehr Vertrauen gegenüber Organisationen wie den NaturFreunden Nordrhein-Westfalen und dem Landesfischerverband Westfalen und Lippe wäre hier oft angebracht.“ Nüsse appellierte deshalb an Politik und Verwaltung, die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund zu stellen: „Dazu zählt vor allem der Mensch, der eine intakte Natur sucht und braucht, um seelisches Gleichgewicht und körperliche Gesundheit zu finden und zu erhalten.“

Unter den mehr als 120 Festgästen bei der Proklamationsfeier in der Zeche Fürst Leopold befanden sich viele Vertreter aus Politik und Verwaltung, darunter Tobias Stockhoff, Bürgermeister der Stadt Dorsten, Dr. Uli Paetzel, Vorstand des Lippeverbands, Christine Elhaus, Hauptdezernentin der Bezirksregierung Arnsberg, Mitglieder des Kreistages, Vertreter des Umweltministeriums NRW und viele Vertreterinnen und Vertreter von Umweltverbänden.


Trave-Wasser für die Lippe

Im Anschluss an das Festprogramm in der Zeche machten sich die Teilnehmer gemeinsam auf den Weg zur traditionellen Wasserübergabe: Eine Abordnung der NaturFreunde Schleswig-Holstein goss dazu Wasser aus der Trave, Flusslandschaft des Jahres 2016/17, in einen noch nicht renaturierten Abschnitt der Lippe.

Dieter Neumann, Landesvorsitzender der NaturFreunde Schleswig-Holstein: „Wenn so ein Projekt eine nachhaltige Entwicklung erzielen will, ist das konstruktive Zusammenwirken vieler Interessierter und auch Betroffener erforderlich. Die Übergabe des Trave-Wassers verbinde ich mit dem Wunsch an alle Aktiven und Beteiligten der Flusslandschaft Lippe, dass die gesetzten Ziele – die erfolgreiche Renaturierung, ein sich daraus ergebender Zuwachs an Lebensräumen und an Artenvielfalt sowie weitere naturnahe Wander- und Erholungsprojekte mit Berücksichtigung von Umweltaspekten – in den nächsten zwei Jahren für alle sichtbar vorangebracht werden können. Dies alles ist zumindest ideell in dem Trave-Wasser enthalten, das wir jetzt der Lippe als 'ergänzendes Erbgut' schenken werden!"

Die Patenschaft für die zweijährige Flusslandschaft haben der Landesfischereiverband Westfalen und Lippe und die NaturFreunde Nordrhein-Westfalen übernommen. Gemeinsam mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern aus Politik und Verwaltung, Umweltschutz, Kultur und Touristik bieten sie Exkursionen, Vorträge, Seminare und Mitmachaktionen an, die die neue Lippe als bedeutsamen und schützenswerten Lebensraum erfahrbar machen.